BERLINER
SEEMANNS
FRÜHSCHOPPEN

„Man lernt das Matrosenleben nicht durch Übungen in einer Pfütze"
Franz Kafka

Wie alles begann

Eines Tages, anno 2008, waren Hartmut Leiste und Dieter Pfeil auf der Suche nach einem geeigneten Ort für ihr Besatzungstreffen der "Robbe Hoyerswerda“. Sie fanden „Hahns Mühle“ mit Smutje Kalisch über das damalige Forum der 1. Flottille von Roland Schult. Schon beim ersten Kontakt wurde die Idee geboren, einen Frühschoppen für alle ehemaligen Berliner Seefahrer zu schaffen. Gesagt, geplant, getan und zum 1. Schoppen kamen 16 ehemalige Kameraden. Ein Erfolg, der nach mehr verlangte. Schon zum 2. Treffen waren trotz strenger, winterlich erschwerter Umstände, über 60 Seemänner aus ganz Deutschland angereist. Das machte Mut und der 3. Frühschoppen war in Planung. Da zum 3. Frühschoppen schon 105 Kameraden kamen, sprengte das die Kapazität von Smutje-Kalischs Kombüse und die Speisen wurden beim 4. Seemannsfrühschoppen als Berliner Buffet gereicht. 130 ehemalige Fahrensleute kamen am 02. Juni 2012. Für uns eine große Freude und die Bestätigung weiter zu machen. Auf Wunsch der Kameraden haben wir uns entschlossen, für den Stammtisch eine eigene Webseite ins Netz zu stellen. Mit dem Diplomdesigner und TS - Bootfahrer Eberhard Marx haben wir einen Kameraden gefunden, der diese Webseite realisierte und als Admin betreut. Damit wollten wir auch diversen Irritationen in den bekannten Foren aus dem Weg gehen. Es ist kein Forum, aber alle interessierten Kameraden und Seemänner haben hier eine Plattform für kurzweiligen Klönsnack. Sie können sich über den aktuellen Stand der Vorbereitungen zum nächsten Frühschoppen informieren, in Erinnerungen schwelgen, ihre Meinung schreiben und Vorschläge unterbreiten sowie Kritiken einbringen. 

Die Brückenbesatzung des Berliner Seemannsfrühschoppens

Burkhard Kalisch
Smutje und Chef Mannschaftsbetreuung
Joachim Rittel
Käpt´n und Chef Organisation
Dieter Pfeil
Ehrenpräsident

Roland Stein
Leitender Ingenieur




TERMINE
&
EINLADUNGEN




KLÖNSNACK


Hinweis:

Ihr habt Material, oder geeignete Beiträge für die Rubrik "Klönsnack", dann sendet uns bitte dazu eine e-Mail an folgenden Link:

Rundgang durch das Museum der 1. Flottille im Peenemünde.

Uniformen unserer Admirale im Museum im Peenemünde

Schiffsmodelle der Volksmarine im Museum in Peenemünde.

Aus dem sinkendem Schiff aufgetaucht
Der Untergang des Räumbootes STERNBERG 1962

Ing. Dieter Flohr (Fregattenkapitän a.D.) 

29. September 1962. „Dynamik“ im Herbstmanöver der Volksmarine. Es geht wieder mal um die mögliche Operation der Ost- Flotten zur Inbesitznahme der Sund/Beltzone. Von einer neuen Einlage müssen auch die Kommandanten der Vorpostenschiffe informiert werden. Sie versehen ihren Dienst auf Ankerpositionen im Fehmarnbelt und nördlich Rügen. Da absolute Funkstille herrscht wird das Räumboot 422 „Sternberg“ der 4. Flottille Warnemünde Hohe Düne als Kurier in Marsch gesetzt, um die Geheimdokumente zu übergeben.
Die STERNBERG gehört zu den 48 Minenräumpinassen (RPi) des Typs „Schwalbe“, die von 1953 bis 1957 auf den Binnenwerften Berlin und Brandenburg von Stapel liefen. Diese schier unverwüstlichen Boote wurden neben ihren gefahrvollen Minenräumaufgaben zu allen möglichen Diensten herangezogen und trugen den Beinamen „Arbeitsbienen der Ostsee“. Zur Besatzung zählten 13 Mann. An Bord auch Offiziersschüler Siegfried Reimann,, der kurz vor der Ernennung zum Unterleutnant zur See noch ein letztes Bordpraktikum zu absolviert. Er hat bereitsdie Kommnadantenprüfung bestanden und führt das Boot zum MLR-Schiff Typ „Krake“ auf der Vorpostenposition 72 im Fehmarnbelt. Nach der Dokumntenübergabe übernimmtr Kommandant Leutnant zur See Günter Gutow wieder die Schiffsführung mit Kurs auf die Vorpostenposition 71 nördlich Rügen. Reimann darf sich in der Kommandantenkammer zur Ruhe begeben. Es ist Nacht geworden und dichter Nebel zieht auf. So wird die Fahrt – damals noch ohne Radar- zur navigatorischen Herausforderung. Gutow orientiert sich nach Kompass, Funkpeiler, dem Feuerschiff Gedser Reff und anderen schwachen Leuchtfeuern. Er will dann aber den Weg abzukürzen, gerät auf die falsche Seite des Internationalen Seeweges. Dies erkennend, befiehlt er Kursänderung um 90 Grad nach Steuerbord. Damit kreuzte er aber den Schifffahrtsweg. Der Rudergänger soll auf ein Leuchtfeuer zuzuhalten, dass als Ansteuerungstonne Warnemünde gehalten wird. Sicht kaum mehr als 10 Meter. Dann aber verlässt der Kommandant kurz die Brücke, um einen Funkspruch an die Flottille absetzen. Aber auch der mit der Seeraumbeobachtung beauftragte Matrose verlässt seine 25mm Bugwaffe und will seine Ablösung wecken.
In der Kadetrinne, nahe Gedser Feuerschiff, taucht urplötzlich ein Schatten auf. Ein Warnsignal erschallt. Gutow stürzt auf die Brücke und befiehlt noch „Hart Steuerbord! Maschinen stopp. AK zurück!“. Doch es ist zu spät- Es gibt einen gewaltigen Rumms, das Räumboot krängt weit auf die Steuerbordseite. Die Besatzung wird heftig durcheinander gewürfelt, doch trägt niemand Verletzungen davon. Nur Kommandant Gutow hat eine Kopfwunde und blutet. Der Frachter setzt auf „Zurück“ und wirft den Buganker. Es ist der britische Kohle-Erzfrachter „Abbordsfjord“ (1860 t)- Er ist mit seinem Vorsteven mittig und tief in das kleine Räumboot eingedrungen. Seewasser dringt in das Boot. Lenzen ist aussichtslos. Die Stromversorgung fällt aus. Zu einem Notruf ist keine Zeit mehr.„Schlauchboot aussetzten!“, befielt Gutow. Es ist das einzige Rettungsmittel der R-Boote. “Alle Mann von Bord!!“ Aber Offiziersschüler und der LM Klaus Schumann fehlen. Reimann ist in der Kommandantenkammer eingeschlossen. Schotts und Seitenwände sind verbogen. Schon umgibt ihn eiskaltes Wasser. Matrosen versuchen noch, ihn herauszuholen-vergeblich. Ohnmächtig im Schlauchboot sitzend müssen sie ansehen, wie die von den britischen Scheinwerfern angeleuchtete STERNBERG über den Bug absackt. Noch ragt das Achterschiff in die Höhe, als plötzlich ein wild um sich schlagender menschlicher Körper an der Wasseroberfläche auftaucht. Es ist Reimann! Er versuchte noch sich gegen die verbogene Tür zu stemmen. Ohne Erfolg. Dann nimmt er etwae Helles im eindringenden Seewasser wahr. Entschlossen stößt er sich durch das Leck ab und taucht schweratment auf. Seine Kameraden ziehen ihn in das Schlauchboot. Dabei kann er gerade noch sehen, wie sich das Achterschiff der STERNBERG steil hebt, Propeller und Ruderblatt zeigt und dann senkrecht in die Tiefe schießt. Es sind höchstens sieben Minuten vergangen.

Die Rettung
Die Uhr zeigt 2 Uhr 52. Stille tritt ein. Noch kurz zuvor hatte Klaus Schumann an den Hauptmaschinen noch den Stoppbefehl ausführen wollen, als es fürchterlich krachte und er durch den schmalen Maschinenraum geschleudert wurde. Wasser dringt ein. Die Lenzpumpe kann er nicht mehr anwerfen. Böses ahnend schnappt seine Schwimmweste klettert auf das Achterdeck des Räumbootes. Er sieht wie sich das Heck bedrohlich anhebt, und springt beherzt über Bord in die eiskalte See. Die Eiseskälte der See nimmt er erst gar nicht wahr. Hastig und voller Angst schwimmt er vom sinkenden Boot weg. Nur nicht in den Sog des untergehenden Schiffskörpers geraten! Stoßweise atmend blickt er zurück und sieht schemenhaft im schwachen, vernebelten Scheinwerferlicht wie Schiffsschrauben und das Steuerblatt seines Bootes eintauchen. Aber da ist ein blasser Lichtschein! Darauf schwimmt er nun zu. Plötzlich verschwindet das Licht und im selben Augenblick stößt er an eine schwarze Schiffswand. Nur auf seine Rettung hoffend, tastet er sich an der Bordwand entlang. Plötzlich greift er an ein Kettenglied. Die Ankerkette! Mit letzter Kraft zieht er sich von nun von Glied zu Glied nach oben. Es wird heller, er hört englische Wortfetzen und fühlt, wie helfende Hände nach ihm greifen, ihn an Bord ziehen und liegt in den Armen von englischen Seeleuten. Auch sein Maschinist Jürgen Madaya und der pudelnasse Offiziersschüler Reimann klettern über die Reling." Wir leben!" ruft er ihnen zu. Auch alle anderen steigen, den Schreck in den Gesichtern, über die Gangway auf das Oberdeck des Frachters-, Kommandant Gutow ist blutverschmiert.
Die Briten hatten alles für die Rettung der in Seenot befindlichen Marinesoldaten eingeleitet. Alle verfügbaren Bordscheinwerfer beleuchten die umliegende See. An einer ausgebrachten Gangway konnte das Schlauchboot festmachen. Rührend kümmern sich die englischen Seeleute um die deutschen Seeleute. Die schweigen völlig deprimiert unter dem Eindruck des soeben Erlebten. Sie sollen die nassen Bordpäckchen ausziehen, Man bringt wärmende Arbeitsklamotten der Besatzung. Dann werden sie in die warme Mannschaftsmesse geführt, wo der Koch ihnen heißen Tee und Gebäck serviert. Die Verständigung ist leidlich erschwert. Nur Gutow und auch Schumann kramen einige Brocken aus seinem längst verdrängten Schulenglisch hervor. Dem Leitenden Maschinisten geht es inzwischen ziemlich schlecht. Nachdem er den ersten Schock bewältigt hatte, bemerkte er erst, dass er wohl in der Maschine umherspritzendes heißes Öl abbekommen hatte und dann noch durch eine Treibstofflache geschwommen war. Auf dem Rücken bilden sich nun Hautreizungen und schmerzhafte Blasen. Der Kapitän kommt und schenkt Whisky in Gläser. Er nimmt an, dass er ein Boot der Bundesmarine gerammt hätte. Freudig teilt er mit, dass er dann nach Kiel weiter fahren wird, wo die geborgenen Deutschen ja an Land gehen können. Der Schreck fährt allen alle Glieder. Nach Kiel? Mitten im Kalten Krieg? In der Kuba-Krise? Unvorstellbar. Notgedrungen klärt der Kommandant den Irrtum auf und erntet verwunderte Blicke. Inzwischen ist der auf der Funker der STERNBERG in das Funkschapp des Schiffes gerannt. Dort angekommen, ruft er auf UKW Kanal 16 Rügenradio an, die zivile Küstenfunkstation der DDR.. Kurzen schildert er das Unglück und bittet, sofort das Kommando der Volksmarine zu verständigen. Es dauerte nicht lange, dann kommt die Rückantwort aus Rostock. Der britische Kapitän wird aufgefordert, die Havarieposition keinesfalls zu verlassen. Man schicke ein Volksmarine-schiff, dass die gerettete Besatzung abholen würde. Und der Brite folgt dieser Aufforderung und bleibt vor Anker liegen. Die Nachricht von Rügenradio hatte zunächst beim OP-Dienst Werner Zimmermann in Warnemünde starke Zweifel ausgelöst. Der Untergang eines R-Bootes sei ja gar nicht im Übungsszenario vorgesehen, meinte er. Dann aber handelt er schnell.
Inzwischen ist es auf dem umliegenden Seeraum lebendig geworden. Auch ein Schiff der Bundesmarine kommt herbei. Ein Däne kommt. Dann endlich nähern sich zwei Boote der Grenzbrigade. Während eines die Untergangsstelle sichert, geht das andere am Engländer längsseits. Eine Gruppe Kampfschwimmer der Volksmarine ist dabei und taucht sofort, um zu versuchen, die mit der STERNBERG untergegangenen Geheimdokumente zu bergen. Der freundliche Erste Offizier versucht nun radebrechend mit einigen Matrosen in ein vertrauliches Gespräch zu kommen. Auch zu Klaus Schumann sagt er freundlich, dass es kein Problem mache, wenn er mit nach Kiel wolle. Aber alle Sternberger wollen unbedingt nach Hause. Die Fronten zu wechseln ist für sie keine Option.
Der Kommandant lässt seine Besatzung noch einmal an Deck antreten. Er dankt den britischen Seeleuten für ihre vorzügliche Hilfestellung und die freundliche Bewirtung in der Messe. Der britische Kapitän kratzt ein paar Brocken Deutsch zusammen und gratuliert dann Gutow zu seiner tollen Besatzung und deren starken kameradschaftlichen Zusammenhalt. Dann steigen die Männer auf das Grenzschiff und fahren zurück nach Warnemünde.

Die Folgen
Auf der Pier großer Bahnhof. Der Chef der Volksmarine Konteradmiral Heinz Neukirchen ist da, der Flottillenchef Kapitän zur See Fritz Notroff, natürlich der Flottillenarzt Stange, ein Sankra und natürlich der Vertreter des MfS. Es fallen lobende Wort. Das mutige Verhalten der Truppe wird hervorgehoben. Dann dürfen sich aller erst einmal ausschlafen. Der Kommandant un d Klaus Schumann kommen ind den Med.-Punkt. Der verzweifelte Kommandant aber wird dort erst einmal einige Tage ruhig gestellt. Es ist klar, dass er sich heftige Vorwürfe macht, das ihm anvertraute Schiffe verloren und dessen Besatzung beinahe um Leib und Leben gebracht zu haben. Klaus Schumann dann in das Marinelazarett in Stralsund eingeliefert. Er ahnt da noch nicht, dass er dort 6 Wochen bleiben muss. Die anderen müssen sich den üblichen Befragungen stellen, man will natürlich genau wissen was eigentlich passiert ist. Allen wird dann auch mitgeteilt, dass sie, wenn sie nicht mehr wollen, auch keine Bordkommandos mehr antreten müssten und an Land eingesetzt werden könnten. Natürlich weisen alle dieses Ansinnen zurück.
Was folgt ist, die unvermeidliche Havarieverhandlung. Der Havariekommissar zieht schwer vom Leder. Navigationsfehler hier, Versäumnisse da. Gutow wird immer kleiner auf der Anklagebank. Es ist üblich, dass alle Kommandanten der Flottille zu diesem Strafgericht beordert werden. Die Peinlichkeiten sind kaum noch zu überbieten. Dann der Spruch: Entzug der Befähigung zur Führung eines Schiffes der Volksmarine, Kasernenarrest, selbst eine mögliche Regressforderung wird in den Ring geworfen und das Schlimmste: die Sache wird dem Kreisgericht Rostock überstellt.
Wie in der Volksmarine üblich, tritt dann auch noch die Grundorganisation der SED zusammen und brät dem gewesenen Kommandanten auch noch eine Parteistrafe über. Die wurmt Gutow besonders. Dass es weder Verletzungen noch Tote bei dieser nächtlichen Havarie gegeben hatte, spielt in der Sache keine Rolle. Schließlich findet die Verhandlung der Strafsache Gutow am Kreisgericht Rostock statt. Nach langem Hin und Her, wird der Kommandant des Minenräumbootes STERNBERG zur eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe aber wird zur Bewährung ausgesetzt
Obwohl die Besatzungsangehörigen noch lange traumatisiert sind und schwer am Erlebten zu kauen haben, fahren alle wieder zur See und beenden ihre Dienstzeiten bei der Marine bis zum Entlassungstag. Siegfried Reimann schafft es zum Fregattenkapitän
Nur Günther Gutow fährt nicht wieder zu See. Er wird schließlich an Land eingesetzt und zwar bei den Landstreitkräften und landet im Ministerium der NVA in Strausberg. Dort muss er seine blaue Uniform gegen Feldgrau tauschen, was ihn besonders wurmt. Am Ende der DDR und der NVA hat er dort sogar den Dienstgrad Oberst erreicht. Klaus Schumann tritt an der TU Dresden ein Ingenieurstudium an und geht als Dipl.-Ing und Betriebswirt einen erfolgreichen Weg sowohl in der sozialistischen Produktion, in der Forschung als auch dann nach dem Ende der DDR in der Marktwirtschaft. Wie die anderen Kameraden auch kann er jedoch seine Zeit bei der Marine niemals vergessen und schwelgt heute noch als 80 jähriger von seinen Erlebnissen auf See.

Adresse

Joachim Rittel
Reetzer Weg 26a
12621 Berlin

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